Saturday, June 29, 2019

Kunstgewerbe des makedonischen Zeitalters

Die Auswanderung byzantinischer Maler in den Zeiten der Verfolgungen des Bilderstreits fördert von allem die Verbreitung der ikonographischen Typen  in Italien, wo das päpstliche Rom während des I. Jahrtausends willig alle diese Anregungen aufnimmt. In Unteritalien, das zum Teil bis ins II. Jahrhundert im Besitz von Byzanz verblieb, waren die Klöster der Basilianer Träger der griechischen Kunsttradition. Aber die aufblühenden italienischen Seestädte und noch ein Desiderius von Monte Cassino beriefen  auch vom Bosporus selbst künstlerische Kräfte zur Lösung größerer Aufgaben. Die Fresken  von St. Angelo in Formis geben noch heute Zeugnis von ihrem Schaffen. Und wie im Süden, so erfolgt auch in Mitteleuropa der Fortschritt zu reicherer ikonographischer Bildgestaltung  meist in Anlehnung an die byzantinischen Vorbilder, die vor allem das glänzende Kunstgewerbe des makedonischen Zeitalters bei wiederholten Anlässen die Vermählung Ottos II  mit der griechischen Prinzessin Theophano z. B. hat deutliche Spuren davon in der deutschen  Elfenbeinschnitzerei hinterlassen — nach Deutschland und nach Frankreich lieferte. An ihnen schult sich zugleich die formale Auffassung der menschlichen Gestalt und der Blick für die  natürliche Erscheinung, die der abendländische Ausdrucksdrang nur allzusehr zu vergewaltigen geneigt war. Die Vervollkommnung der Zeichnung innerhalb des frühgotischen Stils  beruht teilweise auf der Fortbildung und Steigerung byzantinischer Motive. Die deutsche  Buch- und Tafelmalerei des 13. Jahrhunderts lernt die lebendigere Dramatisierung der Komposition erst der griechischen ab. Den nachhaltigsten Einfluß von Byzanz aber erfährt auch im  hohen Mittelalter Italien, wo ganze Kunstkreise, wie der sizilische und besonders Venedig, an  der Entwicklung der byzantinischen Kunst mitbeteiligt sind. Die älteren Mosaiken von S. Marco  (Abb. 315) und der Kirchen von Palermo bieten als Arbeiten griechischer Meister vollwertigen Ersatz für den Verlust der meisten Denkmäler des Monumentalstils der Komnenenzeit im  Osten. Aus der Nachbildung der byzantinischen Charaktertypen entwickelt sich zuerst das individualisierende Darstellungsvermögen der italienischen Malerei. Die gesteigerte Beseelung  der Kruzifixus- und Muttergottesbilder nimmt im 13. Jahrhundert ihren Ausgang von den  griechischen Ikonen. So regt die Berührung mit der byzantinischen Kunst allenthalben die Wirklichkeitsbeobachtung an, stellt sie doch bis tief in das sogenannte Ducento ein vollkommeneres Spiegelbild der Umwelt dar, als es das abendländische Mittelalter in seiner kirchlichen Kunstübung kannte, nicht am wenigsten in ihrer technisch-stilistischen Ausdrucksweise. Die farbige Modellierung der Gestalt in Licht und Schatten und sogar ihre fiktive  Raumdarstellung überbietet noch an malerischer Illusionswirkung alles, was der frühgotische  Naturalismus erreicht hatte. Von ihr entlehnt erst die Malerei des Trecento das Leibhaftige  der Erscheinung und Szenerie als unverlorenes Erbteil der Antike. Und gleichzeitig überträgt sich durch das Schaffen Giottos und seiner Zeit das strenge Stilgesetz ihrer Flächenkomposition auf die italienische Monumentalmalerei. Die Renaissance entspringt aus der Verbindung des abendländischen Kunstwollens mit der pseudoantiken Kunsttradition von Byzanz. 

 Eine vortreffliche Gesamtdarstellung der byzantinischen Kunst gibt Ch. Diehi, Manuel d'art byzantin.,  Paris 1910, mit weitem geschichtlichem Blick, wenngleich in systematischer .A.nlage; vgl. meine Stellung-  nahme dazu, Lit. Zentralblatt 1911, Sp. 1091 ff.  



No comments:

Post a Comment